Wie Kondwani sein tägliches Brot verdient...

Wie ich im letzten Eintrag schon erwähnt habe, ist das Herstellen von Holzkohle in Malawi illegal, da es einen großen Beitrag zu der Abholzung der Wälder leistet.

Als ich dabei war den Artikel zu verfassen, wollte ich wissen, wie dies funktioniert und bin mit meinem Mentor in sein Heimatdorf gefahren. Dort haben wir einen alten Mann getroffen, der für uns einen Termin mit einem Fachmann gemacht hat. Besucht man solche Holzkohleöfen auf eigene Faust, laufen die Menschen weg, da sie denken, man wäre von der Polizei oder den Waldaufsehern.
Somit kamen wir an einem zweiten Tag wieder und trafen einen jungen Mann mit einer malawi-typischen Geschichte. Ich nenne ihn einfach mal Kondwani.


Kondwani war bis vor kurzem Student an einer der besten Universitäten in ganz Malawi, die Polytechnik. Da er und seine Familie die Kosten für das Studium nicht aufbringen konnten, war er gezwungen aufzuhören und versucht nun durch das Holzkohlebrennen Geld zu verdienen. Dies ist jetzt schon ein Jahr her.

Kondwani zeigte uns jeden einzelnen Schritt. Zuerst wird das Holz (nach Fällen der dünnen Bäumen) in gleichlange Stücke gehackt, dann ordentlich der Dicke nach auf zwei Stöckern aufgestapelt. Ist dies geschafft, muss alles mit Erde bedeckt werden, sodass keine Luft mehr eindringen kann. Dann wird das Feuer gemacht und alle Löcher gestopft. Gibt es Löcher im Ofen kann Luft eindringen und am nächsten Morgen findet man nur Asche, die ganze Arbeit war umsonst.
Aufstapeln der Hölzer

Anzünden und Schließen des Ofens


Nach 4 Stunden harter Arbeit war es dann geschafft. Wir konnten es nicht glauben, als Kondwani uns dann sagte, er würde aus diesem Ofen höchstens 2,5 Säcke Holzkohle gewinnen. Ein Sack kostet 2 000MK also umgerechnet ca. 2€. Für all die harte Arbeit bekommt er höchstens 5€. Für uns in Deutschland ist das unvorstellbar.
Doch Kondwani war noch nicht fertig mit seiner Erläuterung. Dieser Ofen war nur eine Demonstration für uns, normalerweise baut er Öfen aus denen er bis zu 80 Säcke gewinnen kann. Diese sind dann ca. 30 Meter lang und die Baumstämme haben einen Durchmesser von 20cm oder mehr.
Mich hat am meisten beeindruckt, dass eine Person ohne jegliche Hilfe von Maschinen so etwas bauen kann.

Als wir uns gegen 17 Uhr verabschiedeten stieg Kondwani auf sein Fahrradtaxi und der Tag war noch lange nicht zu Ende. Als Fahrradtaxifahrer fährt er von 6 Uhr morgens bis 10/11 Uhr abends Menschen auf dem Gepäckträger von A nach B. Pro Tour bekommt er dafür 100-200MK (ca. 10-20 Cent). Da es allerdings sehr viele andere Fahrradtaxifahrer gibt, springen für ihn pro Tag ca. 2 000MK (2€) dabei heraus.
Fahrradtaxifahrer

Doch selbst wenn Kondwani es schafft durch diese Arbeiten genug Geld zu verdienen, gibt es nach dem Studium kaum Jobs in Malawi. Besonders für Menschen wie ihn die aus sehr kleinen Dörfern kommen, ist es sehr schwer, einen guten Job zu finden.
Leider zählt oftmals noch die Regel „Blut ist dicker als Wasser“. Wenn sich Kondwani also bei einer Firma bewirbt, alle gewünschten Qualifikationen hat und das Bewerbungsgespräch nicht besser hätte laufen können, wird trotzdem oftmals ein unqualifizierter Mitstreiter genommen, der zufällig mit dem Geschäftsführer verwandt ist. Auf eine einzige Stelle kann es bis zu 15 000 Bewerber geben.
Dazu kommt, dass es in Malawi kaum eigene Industrien gibt und somit auch nur wenige Jobs angeboten werden. Viele ausgebildete Arbeitskräfte finden in Malawi keinen Job und gehen somit in ein anderes Land wie z. B. Südafrika, um sich dort neue Chancen zu erhoffen. Diese Entwicklung nennt sich „Brain Drain“.

Wie ihr feststellt, ist das Holzkohlebrennen eine Folge der Armut. Die Menschen sind gezwungen, irgendwie Geld aufzutreiben und nehmen deshalb selbst die härteste Arbeit auf sich.
Die Probleme die es hier in Malawi zu bekämpfen gibt sind viel komplexer als man denkt. Die Abholzung des Waldes ist eine Folge der Armut, welche eine Folge der niedrigen Jobangebote ist, welche als Folge das Brain Drain haben, sodass sich das Land nicht weiter entwickeln kann.

Da wir druch die Medien meist nur Tierfilme mit riesigen Wildtierherden über Afrika sehen, stellen wir uns afrikanische Länder so vor, dass es große Landschaftsflächen gibt, die unbesiedelt sind, doch dies ist in Malawi nicht der Fall. Es gibt überall Dörfer. Die Menschen wissen genau, dass sie in der Stadt keinen Job finden und sehen somit auch keinen Grund, in die Stadt zu ziehen. Somit verdienen sie meist kaum Geld, bauen sie ihr eigenes Gemüse an und sind Selbstversorger. Der Überschuss wird im Minibusiness am Straßenrand verkauft, man findet überall Tomaten, Salat, Zwiebeln oder Obst sorgfältig auf Stapel aufgepackt.
Das dort verdiente Geld reicht bestenfalls für die Lebenskosten.
Der Durchschnitts Malawier verdient im Monat nur ca. 15€, was also kaum zum Überleben reicht. Hinzu kommt die explosionsartige Bevölkerungsentwicklung, so hatte Malawi in 2010 nur 11 Mio. Einwohner und in 2018 schon 18 Millionen. Pro Jahr wächst die Bevölkerung um um mehr als 3 %. Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass in Zukunft diese Subsistenzwirtschaft nicht mehr ausreicht um die Bevölkerung zu ernähren.
Pflügen mit dem Ochsen

Doch zurück zu Kondwani:
Kondwani hat 5 Geschwister (Die Durchschnittsfamilie in Malawi hat 5,6, eine Deutsche nur 1,3).
Kondwanis Schwester Joyce hat wie die meisten der Mädchen gerade einmal 4 Jahre in der Schule verbracht. Da die Eltern nicht genug Geld für die Schulgelder hatten, wurden nur die intelligentesten Kinder (4 der 6 Kinder) unterstützt. Folge dessen war, dass Joyce im Alter von 14 heiratete und nun nach zwei Jahren schon zwei Kinder hat. Da viele Kinder die 5-Jahres-Altersgrenze aufgrund hoher Kindersterblichkeit nicht erreichen, wird dieses zweite Kind nicht ihr letztes sein. Zudem ist sie für die Erziehung der Kinder, das Kochen, Einkaufen, Putzen und vieles mehr zuständig. Sie hat die Hauptrolle in der Familie. Da die Familie keine Anbindung zum Stromnetz hat und die Familie kein Geld hat die Rechnungen zu bezahlen, gibt es keine Maschinen und abends helfen bestenfalls ein paar Solarlampen.

Grundsätzlich gilt für Malawi: es ist ein sehr sicheres Land, in dem es noch nie Krieg gab und es ist eine Demokratie. Darum gilt das Land als "African Darling" bei internationalen Hilfsorganisationen und es gibt eine hohe Dichte an Hilfsprojekten verschiedenster Träger.

Kondwani lebt im Norden Malawis, welcher zu der am wenigsten entwickelten Region Malawis zählt. Die aktuelle Regierung ist Freund davon Gelder von Hilfsorganisationen, die für nördliche Regionen gedacht waren, entweder in die eigene Tasche zu stecken oder im Zentrum oder im Süden einzusetzen. Es kommt also nur ein Bruchteil an Geldern an der Basis an. Dazu kommt, dass es im Norden sehr viele Berge gibt, sodass es ein wenig schwerer ist, diese Region zu erreichen.
Obwohl die Menschen im Norden sehr intelligent sind, was daran liegt, dass die Kolonialmächte ihre ersten Lager im Norden errichteten und somit in Bildung investierten, gibt es gewisse Vorgaben der Regierung, die diesen Leuten einen Zugang zur Universität unmöglich macht.
Es wurde die sogenannte vier Regionen Regel eingeführt. Es wird nur eine gewisse Anzahl an Studenten (100 pro Region) angenommen. Ich habe einen Freund Kondwanis kennengelernt, der beste Noten hatte, aber nicht angenommen wurde. Stattdessen bekam eine Person aus der südlichen Region mit deutlich schlechteren Noten die Möglichkeit zur Universität zu gehen.

Aufgrund des großen Bevölkerungswachstums gibt es unglaublich viele Kinder und eine Grundschulklasse besteht meistens aus ca. 100 Schülern mit nur einem Lehrer. Um zu seiner Grundschule zu kommen musste Kondwani nur 3 km laufen doch die weiterführende Schule für die auch Schulgeld zu zahlen ist, war 10 km entfernt. Es gibt also deutlich weniger weiterführende Schulen und deutlich weniger Schüler auf einer weiterführenden Schule. In Ekwendeni gibt es 9 Grundschulen mit je 1 000 Schülern aber nur eine einzige Secondary School.
Diese enorme Zahl an Schulabrechern zeigt das Scheitern des jetzigen Bildungssystems auf. Stellt man sich vor, dass all diese Kinder eine Schulbildung ohne Schulgelder zur Verfügung gestellt bekommen würden, hat man eine ungefähre Ahnung, wieviel Geld die Regierung aufbringen müsste, um dies im ganzen Land zu ändern.
eine Grundschulklasse

Eine Nachbarsfamilie von Kondwani zählt zu den 20% der Bevölkerung ohne Zugang zu klarem Wasser. Die Strecke oder die Länge des Weges zur Wasserversorgung entscheidet darüber, ob man Zugang zu klarem Wasser hat. Ist die Strecke länger als 500m, wie bei Kondwanis Nachbar (700m) ist dies nicht gewährleistet. Zudem kommt, dass die Familie einen Berg hinunterklettern muss, um zu einer Pumpe zu kommen. Ist der Eimer dann gefüllt, wird er auf dem Kopf hochgetragen. Ein besonders harter Job, wenn man bedenkt, für was man alles Wasser gebraucht: kochen, waschen, duschen, .... Um den Aufwand zu verringern, wird oft auf die tägliche Dusche verzichtet. Trotzdem klettert die Familie ca. 4 bis 8 Mal pro Tag den Berg hinauf. Selbst wenn es fast unmöglich ist diese Höhenmeter in der Regenzeit zu überwinden, wird trotzdem Wasser gebraucht.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, eine Infrastruktur zu haben oder zu schaffen. Ohne diese ist keine Entwicklung möglich.

Selbst die Kleinsten helfen mit

Eine ähnliche Geschichte wie Kondwani und sein Umfeld haben ca. 80% der Bevölkerung in Malawi. Die Mittelschicht ist sehr klein und gerade einmal 1% der Menschen sind Doktoren, Politiker, Staatsbedienstete, welche als obere Schicht gewertet werden können.


Ja, Malawi ist arm. Das kann man nicht abstreiten. Doch ich denke, es liegt in den Händen der Regierung, dies zu ändern. Korruption ist eines der größten Probleme. 
Für viele Malawier gibt es jetzt neue Hoffnung da im Mai 2019 Wahlen anstehen. Es gibt eine neue Partei: der Vize-Präsident hat seine eigene Partei eröffnet und nennt diese UTM (United Transformation Movement). Er ist deutlich jünger als alle bisherigen Präsidenten und die Malawier erhoffen sich junge Ideen.
Da bisher keine Regierung in der Lage war, die Korruption zu überwinden und die Probleme des Landes anzugehen,bin ich sehr gespannt wie sich Malawi in Zukunft entwickeln wird.


Wenn ich versuche meine eigene Lebensweise mit der malawischen zu vergleichen, gibt es deutliche Unterschiede. Wenn man, wie ich, die Verhältnisse in Afrika kennen gelernt hat, fängt man an, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken. Als Deutsche habe ich zu jeder Zeit Strom und Wasser. Nur ein Beispiel: Ich genieße eine Fußbodenheizung damit meine Füße nicht kalt werden, nachdem ich 10 Minuten unter der warmen Dusche verbracht habe und 120 Liter Trinkwasser gebraucht habe. Ich muss dafür keine körperliche Arbeit auf mich nehmen. 

Ich gehe zur Schule und muss nichts dafür bezahlen. Die Kommune erstattet mir sogar meinen Schulweg, sobald es mehr als 2 km sind. Ich sitze also im warmen Bus und bin innerhalb von 15 Minuten in dem 10 km weit entfernten Ort. Ich beschwere mich, wenn die Schule nicht die neuste Technik zum Unterrichten verwendet, während die Kinder in einer Grundschule in Malawi auf dem Boden sitzen.
Wenn meine Familie das Geld für das Studium nicht aufbringen kann, kann ich BaFöG beantragen und habe die Möglichkeit eine Universität zu besuchen.
Als Frau kann ich ein emanzipiertes und partnerschaftliches Leben führen.

Die Straßen sind bestens ausgebaut, es gibt fast überall Fahrradwege und ich kann alle Orte Deutschlands problemlos erreichen. Es gibt eine Müllabfuhr und eine intakte Kanalisation, sodass Krankheiten wie Cholera und andere bei uns nicht mehr existieren. Die ärztliche und medizinische Versorgung hat einen höheren Standard.

FAZIT:  

All diese Beispiele aus Malawi machen deutlich, dass man die Lebensweise hier wie dort einfach einmal überdenken kann. Die deutsche, politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung und deren Errungenschaften lässt sich nicht auf Malawi übertragen. Andererseits hat auch Malawi seine eigene Geschichte dem die eigene Entwicklung folgte. Ich würde dem Land wünschen, dass es seine Potenziale entdeckt, dass die vielen jungen Menschen nicht resignieren sondern ihre Chance sehen und aktiv (politisch) werden.





Quellen:
www.rippleafrica.org
https://data.worldbank.org/country/malawi

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